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AutorenbildKarin Ilg

Am Start: Türchen Nr 15

Irgendwo im Nirgendwo – eine Radreise durch die oberschwäbische Provinz!

Auf dem Donau-Bodensee-Radweg von Ulm nach Kressbronn.

"Schwäbsche Eisebahne"

Nach gefühlten drei Stunden in der Warteschleife der sogenannten Hotline, welche meine Ungewissheit, inwieweit beim Mitführen des Fahrrads ein extra Fahrradticket zu lösen sei, ins Unendliche gesteigert hatte, ging’s nun endlich los.

Fahrradtaschen und Fotoausrüstung waren gut am Rad verstaut, denn selbstredend hat so ein „Omsenbike“ ja einen Gepäckträger, an dem alles aufs Vortrefflichste festgezurrt werden kann.


Reisen bildet und "dahoim kennet mr eh scho elle"

Die Einsicht, dass echte Erholung zuhause ewig ein Wunschtraum bleiben würde, brachte mich auf den Gedanken, dass innere Kontemplation und Erholung doch besser bei einer kleinen Radtour durchs Ländle zu erlangen wären.

Endlich einmal, wie meine verehrten Gäste, Entdeckungen machen, schöne Plätze finden, leckeren Kuchen essen, auf dem Bänkle sitzen und sich die Sonne auf die Nase scheinen lassen. Sonnenuntergänge fotografieren – nicht zu vergessen, das wär’s! Genau das war jetzt mein Wunsch!

Zuweilen habe ich den Eindruck, meine Gäste kennen die schönen Flecken hier im Ländle nach zwei oder drei Wochen Aufenthalt besser als ich selbst.

Start am höchsten Kirchturm der Welt


Start an einem sonnigen Dienstag im Jahr 2017, leider schon am etwas späteren Nachmittag.

Von Ravensburg nach Ulm ging es, innerhalb einer Stunde, mit dem Zug.

Den Zeitverlust gedachte ich aber durch zügiges Treten wieder wettzumachen. Die erste Etappe waren ja nur schlappe 40 km in flachem Gelände – von Ulm nach Biberach.

Um vier Uhr nachmittags, bei strahlendem Sonnenschein, rolle ich lässig mit meinem Rad auf das Ulmer Münster zu.

Dessen Kirchturm ist mit stattlichen 161,53 Metern der höchste der Welt.

Das Volk räkelt sich bei Eis und Limo an den Tischen der zahlreichen Cafés um den Münsterplatz.

Ich aber habe eine Aufgabe und widerstehe der Versuchung, mich dazuzugesellen: Das Etappenziel Biberach sollte ja noch erreicht werden. Drum rasch durchs Gerber- und Weberviertel Richtung Donauradweg, immer den blauen Schildern nach – da kann vorerst nichts schiefgehen.

Da scheint man mit deutscher Gründlichkeit vorgegangen zu sein.

Vielleicht war für die Beschilderung lediglich eine Person zuständig, die einen ähnlich schlechten Orientierungssinn hat wie ich. Egal, mir war das mehr als recht, denn mit einem Rad ohne „E“ vorne ist man echt die Gelackmeierte, fährt man aus Versehen (oder siehe oben – Orientierungssinn) den falschen Buckel runter und muss am Ende eben diesen wieder hoch.


E-Bike contra O-Bike!

Ich war damals schon eine absolute Exotin. Das wurde mir bereits nach dem ersten Kilometer der Reise klar: E-Bikes, wohin das Auge reicht! Fahrer aller Couleur, in Rentnercreme oder neonfarben – alles war vertreten. Und dann ich, mit meinem Omsenbike!

Dass ich so ganz ohne E-Mobilität unterwegs war, räumte mir also so eine Art Exzentrikerinnenstatus ein, von dem ich erhoffte, im Laufe der weiteren Reise in irgendeiner Art zu profitieren: Crazy „Alte“ ohne E-Bike, abgefahren und dann auch noch ohne Helm und Fahrradhandschuhe (ich hasse die Dinger und vertraue auf mein Karma) und, zumindest bis zum ersten Sturz – kurz vor Laupheim (blöde, nicht O-Bike-affine Baustelle mit Geröllbelag).


Ich taufte es im Geheimen O-Bike, was sich wesentlich schnittiger anhört, wie ich finde.

Für die Bezeichnung Omsenbike ist der Rest unserer Familie verantwortlich.

Sieben Gänge, Rücktrittbremse und ein schöner, breiter Gelsattel namens „Gel Royal“ (kein Witz – wahrscheinlich kann man sich den Inhalt nach des Sattels Ableben noch aufs Gesicht schmieren) wären allesamt Kennzeichen für ein O-Bike – so zumindest die fachkundige Jury aus dem Hause Ilg.


Erste Blessuren lassen nicht lange auf sich warten!


Dieser Sturz war dann auch der Grund, warum es mit dem Etappenziel Biberach nicht so recht klappen wollte. Meine linke Hand sah unappetitlich aus, und der Verband, der in aller Eile noch am Unfallort von einem freundlichen, jungen Mann angelegt wurde, war leicht blutdurchtränkt. Glücklicherweise passte der Fahrradhandschuh ganz gut darüber, sodass die Malaise gut zu vertuschen war.

Wer sagt’s denn – die Dinger sind echt zu was nutze! Schließlich wollte ich bei der Zimmersuche einen guten Eindruck machen. Außerdem machte das kleine Städtchen Laupheim einen überaus positiven Eindruck auf mich.


Ich beschloss, im Laupheimer Gasthof Hirsch Quartier zu beziehen und den Blutverlust durch einen Schoppen Rotwein auszugleichen.

Und ewig lockt …


Laupheim wurde mir dann auch auf andere Weise zum Verhängnis: Läden, wohin das Auge reicht, Sommerschlussverkaufsfeeling … Blind für die Reize von Stadt und Historie füllte ich den noch verfügbaren Raum meiner Satteltaschen mit allerlei Waren.

Wer findet schon etwas, wenn er konkret nach bestimmten Dingen sucht?

Darum wird gekauft, was momentan gut und günstig scheint, damit der Bedarfsfall erst gar nicht eintritt.

Ich schätze spätestens hier lesen männlichen Leser nicht mehr weiter, aber alle Schwestern im Herzen werden nur zu gut verstehen was ich meine.

Erst das Vergnügen, dann die Arbeit, die frühe Vogel kann mich mal etc. pp.

Ich war Herrin meiner selbst, also konnte ich den weiteren Streckenverlauf nach eigenem Gutdünken einteilen.

Gegen 13 Uhr erreichte ich Biberach, was soll ich sagen: Sonnenschein, Fachwerk, glänzendes Kopfsteinpflaster, schattige Gässlein, alles blitzt und blinkt! Keine Ahnung warum dieser Inbegriff von Deutscher Lieblichkeit bisher nicht in japanischen Reisekatalogen auftaucht.


Biberach bedient diesbezüglich jedes Klischee – aber im positiven Sinne.


Liebe Gäste, der nächste Ausflugstipp für euch liegt auf der Hand: Mit dem Zug von Ravensburg nach Biberach (fährt stündlich) und dieses Schmuckstück von süddeutschem Städtchen besuchen. Am besten am Mittwoch- oder Samstagvormittag zur Marktzeit.


Die schönsten Umkleidekabinen Oberschwabens


Wenn ihr jemals diese Stadt besuchen solltet, dann müsst ihr unbedingt die schönsten Umkleidekabinen Biberachs ansehen, und zwar im kleinen Laden der Firma Riempp (eigentlich ein Raumausstatter) in der Museumsstraße 3.

Hier gibt es noch eine weitere Besonderheit: Bilderrahmen aus mondgeschlagenem Holz, die von der firmeneigenen Vergoldermeisterin mit Blattgold veredelt werden.

Eine Kostbarkeit, die sonst kaum mehr zu finden ist.


Ausnahmsweise verstieß ich in diesem Fall gegen meine Grundsätze, zu kaufen, ohne zu suchen – Sie wissen schon, die Sache mit dem Bedarf (s.o.).

Das nur so am Rande, solltet ihr die Ahnengalerie eures Jagdschlosses mit neuen Rahmen versehen wollen: Das wäre also die erste Adresse am Platz!

Ja, Biberach war ein voller Erfolg, in vielerlei Hinsicht.

Gut, dass es nicht aus der Welt ist. Da muss ich auf jeden Fall noch einmal hin.

Nächstes Ziel und eine weitere Abweichung von der eigentlichen Route:

Bad Buchau. Adelindis Therme.


Doch ich sollte nicht weit kommen … nächster Stopp: die idyllische Aymühle zwischen Stafflangen und Bad Buchau. Kurz vor Bad Buchau erscheint wie aus dem Nichts, Frau Nicole Preuss-Hummels Café.

Die gelernte Fremdsprachenkorrespondentin macht’s, weil’s Spaß macht, und nicht des Profits wegen. Danke für den leckeren Kaffee!



Dann endlich in Bad Buchau!


Eine Bleibe musste her. Ich schien Glück zu haben. Der sehr freundliche Herr Neudert vom Gasthof Stern offerierte mir sein letztes Zimmer. Es sei zwar „vorne heraus“, warnte er noch, doch das Risiko schien mir in diesem Falle überschaubar.

Leser, die ebenfalls schon einmal in Bad Buchau genächtigt haben, werden mir diesbezüglich sicher zustimmen.

Derweil schwante mir schon, dass ich gleich wieder auf einen „Experten seines Faches“ treffen würde.

Irgendetwas an Herrn Neuderts geschliffenem Schwäbisch-Singsang machte mich stutzig.

Bald sollte sich dieser Verdacht erhärten.



Wie sich herausstellte ist Herr Neudert seit Jahrzehnten im Regionalfernsehen zusammen mit Barbara Schrecklein für die Moderation der Schwäbisch-Allemannischen Fasnet zuständig gewesen.


Es wurde mir sofort klar, als ich am Empfang stand und die entsprechend bebilderten Wände sah.

Ein Gastronom und Fasnachtsspezialist von ganzem Herzen also!

Lieber Herr Neudert, Sie verstehen es, zu unterhalten, und nebenbei kredenzen Sie ein hervorragendes Frühstücksbuffet mit wirklich echtem Cappuccino und „glücklichen Eiern“.

Sie schleppen die Taschen Ihrer Gäste ohne zu klagen, geben zusätzlich die örtlichen Shopping-Highlights heraus und schicken Vergessenes per Post hinterher.

Bravo, Herr Neudert, und ein herzliches „Dankschee!“


Gut erholt und frisch sauniert ging’s weiter nach Bad Schussenried – das schwäbische Eldorado für Biertrinker.

Siehe da: Das Bierkrugmuseum und die Brauerei sollten nicht die einzigen Dinge sein, die dieses Städtchen zu bieten hatte.


Unbedingt ausprobieren sollte man Frau Denzels Café am Markt:

Kunsthandwerk, Antiquitäten sowie exquisiten Kaffee und Limonaden erwarten die Gäste.


...und weil ich schon einmal in der Nähe war folgte ich Frau Denzels Rat und besichtigte die "schönste Barockkirche Europas", die Dorfkirche von Steinhausen.

In Bad Schussenried jagt eine Superlative offenbar die andere.



So kurvig und aufstrebend wie dieser imposante Barockbau ging’s dann weiter, auf kleinen Nebenwegen Richtung Wangen im Allgäu.

In Bad Waldsee genoss ich noch für eine Stunde den gepflegten Kurbetrieb und stärkte mich zum letzten Mal. Die Sonne brannte, und der Tag war schon weit fortgeschritten.

Hinter mir ließ ich die flachen Moorlandschaften und tauchte ein ins hügelig-grüne Allgäuer Land.

O-Bike! Wären wir doch zu Hause geblieben,

drehte es in Endlosschleife durch meinen Kopf.


Doch Rettung naht:

Wolfegg hat einen Bahnhof!

Da war ich mir nicht zu fein, das Bähnle zu nehmen. Was soll man sagen – in der Provinz ist Verlass auf die Deutsche Bahn. Auch wenn der Bahnsteig noch so unkrautüberwuchert ist, der Zug hält pünktlich um 17.11 Uhr.

22 Minuten später stehe ich in Wangen am Bahnhof, und nach weiteren 5 Minuten habe ich beim Oberwirt, direkt am Bahnhof, mein Quartier bezogen.


Sitzen mag ich vorerst nimmermehr …


Ein bisschen durchs Städtle gebummelt und den Polkaklängen der Wangener Stadtmusikanten gelauscht – das war noch drin.


Wangen, lieber Leser, ist unzertrennlich mit einem Begriff verbunden. Sozusagen eine Institution und weit über die Wangener Stadtgrenzen bekannt: Der Fidelesbäck.

Hier muss unbedingt eine frische Seele mit ofenfrischem Leberkäs verzehrt werden. Sofern Sie nicht zu den Verfechtern der vegetarischen Küche gehören, ist das ein Gedicht!


Die Bezeichnung Leberkäs ist übrigens irreführend, denn mit Käse hat das rein gar nichts zu tun. Klemmt das leckere Stück in einem Wecken (Brötchen), nennt man das LKW (Leberkäswecken).

LKWs zählen in der Region übrigens zu den Grundnahrungsmitteln.


Wangen ade scheiden tut weh! Aber ich hatte ein Ziel:

Das Cafe Nuber in Oberrussenried.

Ein weiteres Mal wünschte ich mir ein "E" vor mein O-Bike!

Die Landschaft in Richtung Bodensee wird zwar weiter und bietet einige reizvolle Ausblicke, hügelig bleibt es aber und wehe, man ist den falschen Buckel hinuntergefahren!


Die Anstrengung hat sich auf jeden Fall gelohnt. Im zauberhaften Hofcafe Nuber hat meine Lebensgeister wieder reanimiert. Ein herrlicher Flecken Erde! Kaum mag man wieder gehen.

Liebe Leser und Leserinnen, gefühlt habe ich jetzt mindestens solange geschrieben, als wie ich geradelt bin. Allerdings mit dem Effekt, dass mein Allerwertestete weit weniger leiden musste :-)

Herzliche Grüße aus dem schönen Deggenhausertal Eure Karin Ilg




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